Zur anstehenden Änderung des BNatSchG (Februar 2017)

§ Kommentar


Zur anstehenden Änderung des BNatSchG (Februar 2017)

Zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom Februar 2017

02. Mai 2017

 

Der Gesetzgeber erarbeitet derzeit die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Er beabsichtigt mit der Änderung des BNatSchG die Fristsetzung zum Aufbau des Biotopverbunds, die Privilegierung von artenschutzrechtlichen Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverboten und die Regelung der Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen in der AWZ und dem Festlandsockel, die hier kommentiert werden sollen.

Hierzu wurde im Dezember 2016 ein Referentenentwurf vorgelegt, der im Anschluss an die erste Beteiligung im Februar 2017 leicht verändert wurde. Gegenüber dem Referentenentwurf aus dem Dezember 2016 wurde insbesondere die Einführung unbestimmter Rechtsbegriffe weitgehend zurückgenommen. Nach der Kommentierung durch den Bundesrat wird sich der Bundestag voraussichtlich im Mai des Jahres mit dem Gesetzesentwurf befassen. Die das Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege betreffenden Regelungen können sechs Monate und die den Arten-, bzw. Meeresnaturschutz betreffenden Änderungen sofort nach ihrer Verkündung in Kraft treten. Wann die Gesetzesänderung in Kraft tritt, bleibt abzuwarten. Die Änderungen ergeben sich aus Entwicklungen in der deutschen Naturschutzpolitik bzw. im deutschen Naturschutzrecht.

Der Biotopverbund soll bis zum 31.12.2027 aufgebaut werden. Zudem sollen in die Liste der geschützten Biotope Höhlen und naturnahe Stollen aufgenommen werden. Ferner ist eine Privilegierung von artenschutzrechtlichen Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverboten in § 44 Abs. 5 BNatSchG vorgesehen. Außerdem sollen in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und dem Festlandsockel Kompensationsmaßnahmen bevorratet werden können.

In § 21 Absatz 2 soll ein Satz angefügt werden, demnach der Biotopverbund bis zum 31. Dezember 2027 aufzubauen ist. Für die Länder besteht die Pflicht zum Aufbau des Biotopverbunds in Größenordnung von 10 % der Landesfläche bereits auf der Grundlage des § 20 Abs. 1 BNatSchG. Mit dem länderübergreifenden Biotopverbund werden die biologische Vielfalt und der Schutz des Naturhaushaltes gefördert. Aus naturschutzfachlicher Sicht sind sowohl der Ausbau des Biotopverbunds als auch Maßnahmen und Regelungen, die dem Ausbau dienlich sein können, zu begrüßen. Mit der geplanten Fristsetzung reagiert der Gesetzgeber auf den bislang unzureichenden Realisierungsstand des Aufbaus. Die Länder sollen dazu angeleitet werden, die rechtliche Sicherung entsprechender Flächen nun tatsächlich zu unternehmen. Im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom Dezember 2016 war die Frist ursprünglich bis zum Jahr 2025 vorgesehen, die nun also nach hinten verlegt wurde. Da auch die Zielvorgaben der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung sowie des Strategischen Plans 2011-2020 der Biodiversitätskonvention eine frühere Zielerreichung vorsehen, hat der Gesetzgeber also eine eher moderate Fristsetzung im Blick. Mit der Regelung kann der Tatsachenbestand, dass ein Großteil der (Frei)Fläche durch Siedlungs- und Verkehrsfläche, landwirtschaftliche und zunehmend auch energiewirtschaftliche Nutzungen in Anspruch genommen wird und infolgedessen der Biotopverbund inzwischen insular und zerschnitten vorliegt, nicht direkt angegangen werden. Die bestehenden Nutzungskonkurrenzen und -konflikte werden durch eine vorgesehene Fristsetzung also nicht vereinfacht. Die Regelung in der vorliegenden Form sollte die Länder nicht dahingehend motivieren die Interessen der Gemeinden und Grundstückseigentümer zukünftig aufgrund der Terminierung durch nicht angemessene Beteiligung unverhältnismäßig zu reglementieren. Andererseits wird eine nicht fristgerechte Umsetzung nach derzeitigem Kenntnisstand ohne Sanktionierung und die Fristsetzung somit ggf. wirkungslos bleiben. Zielführend wäre eine Stärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit zur Sicherung bzw. zum Aufbau länderübergreifender Biotope sowie die Unterstützung der Abstimmung zwischen Ländern und Grundstückseigentümern. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber mit der Fristsetzung ein ambitioniertes Ziel mit langem Atem aber stumpfem Schwert verfolgt. Die Sicherung von Flächen für Biotope wird durch die Regelung zukünftig zumindest argumentativ untermauert.

Vorgesehen ist ferner, dass in § 30 Abs. 2 BNatSchG nun auch „Höhlen sowie naturnahe Stollen“ angeführt und somit zu den schützenswerten Biotopen gezählt werden sollen. Da dies nicht für genutzte Höhlen- und Stollenbereiche sowie für Maßnahmen zur Verkehrssicherung von Höhlen und naturnahen Stollen gelten soll, bleibt abzuwarten, ob die Schutzwirkung tatsächlich für eine nennenswerte Zahl von Höhlen und Stollen erreicht werden kann. Wünschenswert wäre es, wenn der Gesetzgeber die Regelung dahingehend konkretisiert, dass lediglich tatsächlich wirtschaftlich oder touristisch genutzte Höhlen und Stollen von der Regelung ausgenommen werden. Andernfalls könnten unter die rechtlich unbestimmte Bezeichnung genutzter Höhlen- und Stollenbereiche auch solche fallen, die lediglich temporär oder nur unwesentlich genutzt werden. Die Aufnahme weiterer Landschaftsbestandteile als schützenswerte Biotope hat der Gesetzgeber im Übrigen vorerst nicht vorgesehen.

In § 44 BNatSchG, der „Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten“ vorgibt, soll eine Konkretisierung vorgenommen werden. Dies betrifft die artenschutzrechtlichen Verbote im Hinblick auf Eingriffe in Natur und Landschaft und Vorhaben im beplanten und unbeplanten Innenbereich. § 44 Abs. 5 S. 1 und 2 BNatSchG sollen folgendermaßen neu gefasst werden.

„Für nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassene oder von einer Behörde durchgeführte Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 14 sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1. das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben auch unter Berücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung unvermeidbar ist,

2. das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,

3. das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.“

Der Gesetzgeber beabsichtigt also, eine für die Praxis recht leseunfreundliche Regelung anzupassen, wenngleich er ihre Struktur jedoch weitgehend beibehält. Die Privilegierung von artenschutzrechtlichen Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverboten soll für solche Beeinträchtigungen und Vorhaben gelten, die unvermeidbar sind und im Rahmen der Eingriffsregelung sowie gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ein behördliches umweltbezogenes Prüfungsverfahren durchlaufen haben. Das behördliche umweltbezogene Prüfverfahren bietet die Möglichkeit der Bewältigung naturschutzbezogener Konflikte. Der unvermeidbare Verlust einzelner Exemplare durch ein Vorhaben soll demnach keinen Verstoß gegen das Tötungsverbot darstellen, wenn hierdurch das Tötungsrisiko für Individuen der betroffenen Art nicht signifikant erhöht wird. Dies bedeutet nichts anderes, als dass das Töten einzelner Tiere „in Kauf genommen“ wird. Zu diskutieren ist ferner, inwieweit die Einführung des Signifikanzbegriffs Rechtssicherheit herstellen kann, da dessen Bestimmung eine Reihe bislang nicht hinreichend geklärter Fragen mit sich bringt. Die in S. 2 Nr. 2 vorgesehene Privilegierung des Fangens im Rahmen von Maßnahmen zum Schutz der Tiere zur Erhaltung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten wild lebendender Tiere besonders geschützter Arten soll dazu dienen, dass diese Maßnahme nicht mehr als eine absichtliche Handlung i. S. d. Art. 12 FFH-RL anzusehen ist. Da bislang nicht geklärt ist, ob das Fangen zur Umsiedlung unter das Fangverbot i. S. d. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-Richtlinie fällt, ist der vorliegende Regelungsentwurf wohl noch nicht hinreichend, die Unsicherheiten in der praktischen Anwendung vollständig zu beseitigen. Es bleibt abzuwarten, ob die Änderung des § 44 Abs. 5 in der vorliegenden Form bestehende Rechtsvorschriften (des Art. 12 FFH-RL und auch Art. 5 VS-RL) nicht verletzt. Für die Praxis dürfte die Regelungsänderung in der vorliegenden Form der Änderung des BNatSchG und ohne weitergehende Begründungen entsprechende Anwendungsunsicherheiten mit sich führen. Zudem soll mit einer Änderung in § 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG („festgelegt“ statt „festgesetzt“) klargestellt werden, dass vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen durch unterschiedliche Regelungsformen festgelegt werden können. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Urteil vom 30.03.2010 (– 8 N 09.1861, juris, Rn. 62 und 70) verneint, dass eine Anwendbarkeit des § 1a Abs. 3 S.4 BauGB auf artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen gegeben ist. Er hatte dies mit dem Wortlaut des § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG begründet, der den bauplanungsrechtlich besetzten Begriff „festgesetzt“ verwendet. Es soll nunmehr klargestellt werden, dass die Umsetzung von Maßnahmen auch außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans erfolgen (also „festgelegt“ werden) kann und stattdessen vertragliche Vereinbarungen nach § 1a Abs. 3 S. 4 BauGB getroffen werden können (städtebaulicher Vertrag).

Der Gesetzgeber beabsichtigt zudem, einen neuen § 56a BNatSchG einzuführen, der die Bevorratung von Kompensationsflächen in der AWZ und auf dem Festlandsockel ermöglicht. Die Regelung ist begrüßenswert, da die Kompensation in der AWZ – wie die Praxis zeigt – konfliktbehaftet und kostenintensiv ist. Nunmehr soll es möglich sein, umfangreichere und somit in der Summe sparsamere Kompensationsmaßnahmen durchzuführen und sie zu bevorraten. In einem Ökokonto sollen die durchgeführten vorgezogenen Maßnahmen verbucht und hieraus vom Vorhabenträger zu einem späteren Zeitpunkt „abgerufen“ werden können. Eine solche Bevorratung sollte jedoch nicht dazu führen, dass das eingriffsspezifische Ausgleichen nun nicht mehr im räumlichen Zusammenhang erfolgt. Die praktische Umsetzung dieser Änderung des BNatSchG wird also verschiedenen Herausforderungen unterliegen.

Es soll bei der Auswahl von geschützten Meeresgebieten im Bereich der deutschen AWZ und des Festlandsockels künftig eine frühzeitige Beteiligung der in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden im Stadium der Auswahl geeigneter Flächen erfolgen (§ 57 Abs. 1 BNatSchG). Zudem soll in § 57 Abs. 2 BNatSchG bei der Unterschutzstellung der Meeresschutzgebiete im Interesse der Einbindung aller betroffenen Ressortbelange ein Einvernehmen zwischen diesen eingeführt werden. Aufgrund verschiedener Gesetzesänderungen und zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sind zudem weitere Anpassungen in § 57 BNatSchG notwendig.

Ferner soll in einem neuen § 27 Abs. 2 BNatSchG die Aufnahme der Bildung für nachhaltige Entwicklung als Zweck der Naturparke geschehen. Dies ist zu begrüßen. Auch sollen in § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 und § 45 Absatz 7 Satz 1BNatSchG Klarstellungen vorgenommen werden, die das Verbot des vollständigen Beseitigens in § 39 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 aufnehmen und das Bundesamt für Naturschutz als zuständige Behörde für die Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen für die AWZ vorgeben.


Entwurf und Stand der Gesetzesänderung:

Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, Drucksache 18/11939. 12.04.2017. Online verfügbar: dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/119/1811939.pdf, zuletzt abgerufen am 02.05.2017.