Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans mit festgesetztem allgemeinen Wohngebiet

§ Kommentar


Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans mit festgesetztem allgemeinen Wohngebiet

Zu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.05.2017 – OVG 2 S 5.17 -.

10. Juli 2017

 

Im vorliegenden Fall wendet sich der Antragsteller gegen eine Nutzungsuntersagung für den Betrieb eines Wettbüros. Dem Bebauungsplan, der der Erteilung der Baugenehmigung für das Vorhaben entgegensteht, sei seiner Auffassung nach Funktionslosigkeit zu unterstellen.

Die Änderung der Nutzung der als Ladenlokal genehmigten Räumlichkeiten zum Betrieb eines Wettbüros hätte einer Baugenehmigung bedurft. Diese ging dem Antragsteller jedoch nicht zu, da die Nutzung des früheren Ladenlokals als Vergnügungsstätte in dem durch den Bebauungsplan als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Baugebiet nicht genehmigungsfähig ist. Die Unzulässigkeit von Vergnügungsstätten in allgemeinen Wohngebieten ergibt sich aus § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO. Planungsrechtlich war das Wettbüro also zunächst nicht genehmigungsfähig. Der Betreiber des Wettbüros wandte hiergegen ein, der maßgebliche Bebauungsplan (ein Gebiet in Charlottenburg) sei funktionslos. Das Plangebiet sei seiner Auffassung nach abweichend von der entsprechenden Festsetzung im Bebauungsplan nicht als allgemeines Wohngebiet einzustufen, weil es nicht i. S. v. § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen dient. Sein Wettbüro sei deshalb zulässig. Er führte u. a. an, dass sich in den Häusern im Plangebiet lediglich in den Obergeschossen Wohnungen befinden, die Erdgeschosse aber gewerblich genutzt werden. Das genügte dem OVG bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung jedoch nicht, da sich das Plangebiet nicht lediglich auf den auch durch Gewerbenutzung geprägten Bereich (die Wilmersdorfer Straße) erstreckt, sondern darüber hinaus auch Seitenstraßen mit ebenerdigen Wohnnutzungen umfasst und sich die Gewerbenutzung überwiegend auf die Vorderhäuser beschränkt. Zudem genügte dies schon angesichts des Umstandes nicht, da es sich hierbei um fünfgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser handelt. Dass die gewerbliche Nutzung gleichgewichtig neben der Wohnnutzung steht, sodass das Vorliegen eines Mischgebiets anzunehmen sei, sei also nicht belegt. Im Weiteren hat sich das Gericht auch nicht durch andere vorgebrachte Einwände dazu veranlasst gesehen, das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets zu verneinen.

Bereits im Jahr 1977 hat das BVerwG entschieden, dass eine bauplanerische Festsetzung wegen Funktionslosigkeit außer Kraft tritt , wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen, und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1977 – IV C 39.75 –, BVerwGE 54, 5). In der Folge haben die Gerichte diese Anforderungen für das Vorliegen der Funktionslosigkeit nicht konkretisiert, sondern eher nur weiter umschrieben. Auch im vorliegenden Fall konnte somit die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans bzw. der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets nicht festgestellt werden. Der Antragsteller hätte seine Argumentation ggf. tiefgründiger auf das inzwischen möglicherweise tatsächlich entstandene Vorliegen eines Mischgebiets aufbauen sollen – sofern ein solches denn tatsächlich vom Bebauungsplan abweichend auch entstanden ist. Denn die strengen Voraussetzungen für das Vorliegen der Funktionslosigkeit erfordern eine fundierte Argumentation und Auseinandersetzung mit den tatsächlich vorliegenden Verhältnissen.


Beschluss:

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.05.2017 – OVG 2 S 5.17 –, juris.