Einzelhandelsausschluss zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche: Anknüpfen an Anlagentypen statt (rein) an die Verkaufsflächen!

§ Kommentar


Einzelhandelsausschluss zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche: Anknüpfen an Anlagentypen statt (rein) an die Verkaufsflächen!

Zu OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.05.2017 – 2 K 51/15 -.

7. August 2017

 

Immer wieder taucht in der bauleitplanerischen Einzelhandelssteuerung die Frage auf, inwieweit ein Ausschluss auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB, § 1 Abs. 5, 8 und 9 BauNVO erfolgen kann bzw. zu erfolgen hat. Das OVG Sachsen-Anhalt hat nun erneut und wie bereits andere Verwaltungsgerichte vor ihm geurteilt, dass ein festgesetzter Einzelhandelsausschluss zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche, der ausschließlich an die Verkaufsfläche anknüpft und hierbei einen bestimmten Anlagentyp plausibel nicht ermittelt, auf der genannten gesetzlichen Grundlage nicht tragfähig ist.

Dies ist regelmäßig relevant, wenn eine Gemeinde den Ausschluss des Einzelhandels auch unter der Schwelle der Großflächigkeit vornehmen möchte. Eine solche Feindifferenzierung unterhalb der Schwelle kann zulässig sein, wenn hier auf konkret bestimmbare Anlagentypen Bezug genommen wird. Ein „klassisches“ Beispiel für einen aus Sicht der Gemeinden dieser Anforderung vermeintlich entsprechenden Anlagentypus stellt ein angeblich ortstypischer Laden („Musterstadt-typischer Laden“) dar, der beim Einzelhandelsausschluss in Bebauungsplänen zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche folglich zulässig oder zumindest ausnahmsweise zulässig sein soll. Oft wird in diesem Zusammenhang auf den vielfach zitierten Beschluss des BVerwG verwiesen, dass ein Einzelhandelsbetrieb mit einer Nutzfläche von höchstens 400 m² als „Nachbarschaftsladen“ oder „Convenience-Store“ existieren und somit als Anlagentyp festgesetzt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 08.11.2004 – BVerwG 4 BN 39.04 -, juris).

Im vorliegenden Fall wandte sich eine Grundstückseigentümerin gegen einen Bebauungsplan, der Einzelhandel auch auf ihrem Grundstück einschränkte. Das Gericht urteilte jedoch, dass die im Plan vorgesehene ausnahmsweise Zulässigkeit für „Einzelhandelsbetriebe mit zentren- und nahversorgungsrelevanten Hauptsortimenten gemäß der nachfolgend aufgeführten „[…] Liste“ bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 200 m²“ unzulässig sei. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB über die ausnahmsweise Zulässigkeit bestimmter Arten baulicher Nutzungen im Hinblick auf die Verkaufsflächenorientierung lägen bei dieser Regelung nicht vor. § 9 Abs. 2a BauGB ließe zwar auch eine Differenzierung nach Unterarten baulicher Nutzungen und somit nach bestimmten Arten baulicher Anlagen zu. Die Vorschrift sei sowohl für § 1 Abs. 5 BauNVO als auch für § 1 Abs. 9 BauNVO offen. Gegenstand der Regelung könne also die Festsetzung bestimmter Anlagentypen sein. Mit der Beschränkung der Verkaufsfläche werde ein solcher Typ aber nicht automatisch umschrieben. Vielmehr müsse eine Gemeinde darlegen, warum der entsprechende Typ unter bzw. über der festgesetzten Verkaufsfläche läge – generell oder unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse! Die Typen muss es in der sozialen und ökonomischen Realität also bereits geben!

Auf einen konkreten Anlagentyp als Unterart der Einzelhandelsbetriebe mit zentren- und- nahversorgungsrelevanten Hauptsortimenten hatte aber weder die entsprechende Regelung, noch die Begründung Bezug genommen und auch auf das Einzelhandelskonzept war in diesem Zusammenhang nicht verwiesen worden. Zudem war in diesem Konzept ein solcher vermeintlich real existierender Anlagentyp mit einer Verkaufsfläche bis 200 m² nach Auffassung des Gerichts nicht plausibel ermittelt worden. Das Urteil führt des Weiteren aus, dass zur Bestimmung dieses speziellen Anlagentyps eine Ermittlung der tatsächlich vorhandenen Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche unter 200 m² angezeigt gewesen wäre. Zudem könne die Ermittlung der Verkaufsflächen der im Stadtgebiet vorhandenen Betriebe nur den Ausgangspunkt für die Festlegung eines bestimmten Anlagentyps darstellen. Dargelegt müsse ferner, welche Eigenschaften (beispielhaft werden genannt: Größe und Gestaltung der Verkaufsflächen, Sortimentsangebot, städtebauliche Lage und Bedeutung für die Innenstadt) den Anlagentyp ausmachen.

Auch eine Regelung, demnach innerhalb eines zusammenhängenden Standortbereichs mit mehreren Anbietern mit jeweils maximal 200 m² Verkaufsfläche eine Verkaufsfläche von 800 m² nicht überschritten werden darf, wurde als unzulässig beurteilt. Die Unzulässigkeit der genannten Regelungen führte jedoch nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Plans. Dennoch sollten Gemeinden, die eine (Ausnahme-)Regelung zur Zulässigkeit auf der Grundlage von Verkaufsflächengrößen und hiermit vermeintlich bestimmten Anlagentypen vorgenommen haben, prüfen, inwieweit solche auch tatsächlich existieren. Denkbar wäre es, den Nachweis über das Bestehen solcher Anlagentypen durch eine Erhebung im Rahmen der Fortschreibung des der Planung zugrundeliegenden Einzelhandelskonzepts vorzunehmen. Eine Änderung des Plans aus der Befürchtung heraus, der Plan könne aufgrund einer entsprechenden Regelung gegen geltendes Recht verstoßen, ist aber wohl nicht automatisch erforderlich, wenn die Beurteilung der Gesamtunwirksamkeit im Rahmen eines Normenkontrollverfahren nicht zu erwarten ist.


Urteil: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.05.2017 – 2 K 51/15 -, juris.