Urteile des BVerwG zu den Spielhallengesetzen der Länder: Bauplanungsrechtlich relevant?

§ Kommentar


Urteile des BVerwG zu den Spielhallengesetzen der Länder: Bauplanungsrechtlich relevant?

Zu BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 – BVerwG 8 C 6.15 -; – BVerwG 8 C 7.15 -;- BVerwG 8 C 8.15 -;- BVerwG 8 C 4.16 -;- BVerwG 8 C 5.16 -;- BVerwG 8 C 8.16 -.

10. Februar 2017

 

Das BVerwG hat sich in mehreren Entscheidungen zu den Spielhallengesetzen der Länder geäußert und dabei auch die räumlich-städtebaulich relevanten Regelungen dieser Gesetze (u. a. Mindestabstände zwischen Spielhallen und zu Einrichtungen für Minderjährige, Verbot des baulichen Verbunds von Spielhallen) behandelt.

Konkret waren die Betreiberinnen vier bestehender und einer geplanten Spielhalle im Land Berlin sowie einer beantragten Spielhalle in Rheinland-Pfalz gegen die Regelungen des Spielhallen- und Mindestabstandsgesetzes (Land Berlin) bzw. auf Erteilung einer Spielhallenerlaubnis (im Land Rheinland-Pfalz) vor dem BVerwG in Revision gegangen.

Das LGlüG Rheinland-Pfalz sieht vor, dass Spielhallen zu von Minderjährigen genutzten Einrichtungen einen Abstand von 500 m einzuhalten haben. Vor dem OVG und letztlich vor dem BVerwG hatte die Betreiberin einer Spielhalle geklagt, deren Abstand zu solchen Einrichtungen unter 500 m lag und folglich nicht mit der entsprechenden Regelung des LGlüG vereinbar war. Der Bestandsschutz für die Spielhalle endete im Jahr 2013. Die Betreiberin klagte auf Erteilung einer Erlaubnis zum weiteren Betrieb der Spielhalle, u. a. da sie diese im Glauben übernommen hatte, diese weiter betreiben zu können. Zudem bestritt sie im Hilfsantrag, dass es sich bei den im Umkreis der Spielhalle liegenden Einrichtungen tatsächlich um solche für Kinder und Jugendliche handele. Dies blieb in der Sache jedoch jeweils ohne Erfolg.

Das Land Berlin hat u. a. Mindestabstände zu anderen Spielhallen (500m) sowie zu Einrichtungen, die vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden, festgelegt. Vor dem OVG Berlin-Brandenburg hatte die Betreiberin mehrerer Spielhallen in Berlin gegen die Anwendbarkeit verschiedener Bestimmungen des SpielhG Bln, des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland sowie des hierzu ergangenen AGGlüStV Bln geklagt und war damit gescheitert. U. a. wollte sie erwirken, dass das Verbundverbot und Abstandsgebote sowie eine Verpflichtung zur Reduzierung der Spielgeräte für sie nicht wirksam werden. Die Klage war jedoch unbegründet.

Grundsätzlich sind die Länder seit der Föderalismusreform 2006 nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zur Gesetzgebung im Bereich des Spielhallenrechts befähigt. Ein beispielsweise zumeist festgelegter Mindestabstand zu anderen Spielhallen und das Verbot mehrerer Spielhallen an einem Standort verringern die Spielanreize. Damit reduzieren sie das Suchtpotenzial durch die begrenzte Anzahl und Dichte der Spielhallen und Spielgeräte. Sämtliche der in den anhängigen Verfahren angegriffenen Regelungen lassen sich gemäß den Urteilen des BVerwG der Gesetzgebungsmaterie der Länder zuordnen. Abstandsgebote zu anderen Spielhallen sind nicht Teil des Bodenrechts (nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG), Abstandsgebote zu Einrichtungen für Minderjährige unterfallen nicht der öffentlichen Fürsorge (i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG). Die angegriffenen Regelungen sind zudem mit der Berufsfreiheit der klagenden Betreiber vereinbar. Sie sind darüber hinaus verhältnismäßig. Auch das im Mindestabstandsumsetzungsgesetz von Berlin vorgesehene Auswahlverfahren zwischen Bestandsspielhallen löst im hier relevanten Fall eines Verbunds mehrerer Spielhallen eines Betreibers keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus. Die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums wird durch die Regelungen verhältnismäßig beschränkt. Zudem sind die Regelungen mit dem Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar.

Was bedeutet dies für die bauleitplanerische Steuerung und die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Spielhallen? Da Spielhallen eine Unterart der Vergnügungsstätten darstellen, ist die Steuerung solcher Betriebe über städtebauliche Konzepte und/oder Bebauungspläne, insbesondere nach § 9 Abs. 2b BauGB möglich. Mit den Abstandsregelungen der Gesetze der Länder wird eine solche Steuerung jedoch nicht obsolet, da diese einer ordnungsrechtlichen und nicht einer bodenrechtlichen Zielsetzungen unterliegen. Für die bauleitplanerische Steuerung von Spielhallen bedeuten die Urteile des BVerwG vielmehr, dass ein Stück weit Rechtssicherheit bei der Bezugnahme auf die gängigen Regelungen der Länder zu Mindestabständen von Spielhallen zueinander und zu Einrichtungen für Minderjährige hergestellt wurde. Abzuwarten bleibt aber weiterhin, wie sich das BVerfG zu den Spielhallengesetzen der Länder äußern wird. Die dort anhängigen Verfassungsbeschwerden behandeln die Frage, ob verschiedene Vorschriften in mehreren Landesgesetzen zur Neuregelung des Rechts der Spielhallen, insbesondere das sogenannte Verbundverbot, das Abstandsgebot und die Übergangsregelungen, mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Nimmt man dies an, so kann zwar kann die Schutzwirkung eines Bebauungsplans mit vorrangigem Steuerungsgegenstand von Spielhallen auf der Grundlage von § 9 Abs. 2b BauGB im Sinne von § 9 Abs. 2b S. 1 Nr. 1 BauGB de facto obsolet sein, wenn Spielhallen durch Landesgesetzgebung durch Abstandsregelungen nicht mehr in unmittelbarer Umgebung zu Schulen und Kindertagesstätten zulässig sind. Für andere Unterarten von Vergnügungsstätten werden solche Regelungen durch die Länder jedoch nicht getroffen bzw. ist die räumliche Entfernung zu Wohnnutzungen oder Kirchen (auf deren Schutzwirkung § 9 Abs. 2b S. 1 Nr. 1 BauGB abzielt) nicht durch Landesgesetze geregelt. Denkbar ist auch, dass bestehende oder geplante Spielhallen mit Abständen über 500 m (bzw. insbesondere 250 m, wie sie in einigen Ländern als Mindestabstand vorgegeben sind) zu Wohnnutzungen oder schutzbedürftigen Anlagen diese beeinträchtigen, woraus ein bauplanungsrechtlicher Steuerungsbedarf resultiert. Wenn eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten vermieden werden soll, die sich aus der Agglomeration verschiedener Unterarten von Vergnügungsstätten und somit nicht allein von Spielhallen ergibt, wird das Ausbleiben bauplanungsrechtlicher Steuerung dann nicht mit Verweis auf die Landesgesetze erfolgen können, wenn diese – wie bislang – nicht die Abstände von Vergnügungsstätten allgemein, sondern ausschließlich von Spielhallen sowie das Verbundverbot regeln.

Aus städtebaulichen Gründen können sich auch weit größere Abstände zwischen Spielhallen als notwendig ergeben, als sie in den Landesgesetzen vorgegeben sind. Denkbar ist dies beispielsweise, wenn die Schutzwirkung von § 9 Abs. 2b BauGB für geplante schutzbedürftige Anlagen im Sinne des § 9 Abs. 2b S. 1 Nr. 1 BauGB eintreten soll, geplante Spielhallen – die dem Mindestabstand zu bestehenden Einrichtungen für Minderjährige jedoch entsprechen würden – diese jedoch gefährden könnten. Vice versa können städtebauliche Gründe dafür sprechen, Standortbereiche festzulegen, in denen Vergnügungsstätten bauplanungsrechtlich zulässig und somit städtebaulich erwünscht oder zumindest vertretbar sind, wenngleich sich aus dem Spielhallengesetz am entsprechenden Standort lediglich eine ausnahmsweise Zulässigkeit ergibt. Denkbar ist hier der Fall einer geplanten Spielhalle, die sich in unmittelbarer räumlicher Entfernung zu Einrichtungen von Minderjährigen befindet (200 m Luftlinie zu einer Schule), durch städtebauliche (insbesondere verkehrliche) Gegebenheiten jedoch von dieser schutzwürdigen Einrichtung räumlich isoliert liegt.

Den Städten und Gemeinden ist anzuraten, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vergnügungsstätten in eigener Verantwortung und ohne das ausschließliche „Vertrauen“ auf die Verfassungsmäßigkeit der Spielhallengesetze der Länder zu regeln. Diese sind zweifelsfrei weiterin in die Abwägung einzustellen, jedoch sind sie nicht bodenrechtlicher Natur und betreffen lediglich Unterarten von Vergnügungsstätten. Schon allein der Begriff der Vergnügungsstätte im Sinne der BauNVO hat nichts mit dem der GewO bzw. des Steuerrechts gemeinsam.


Urteile:

BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 – BVerwG 8 C 6.15 -; – BVerwG 8 C 7.15 -;- BVerwG 8 C 8.15 -;- BVerwG 8 C 4.16 -;- BVerwG 8 C 5.16 -;- BVerwG 8 C 8.16 -.

Entscheidungen der Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.06.2015 – OVG 1 B 5.13 -; – OVG 1 B 13.13 -; – OVG 1 B 23.14 -; Beschl. v. 12.01.2016 – 1 B 19.13 -; Urt. v. 10.03.2016 – 1 B 41.14 -.

OVG Koblenz – Urt. v. 10.03.2015 – 6 A 10788/14 -.

Gesetzliche Grundlagen

Gesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Berlin (Spielhallengesetz Berlin SpielhG Bln) vom 20.05.2011 (GVBl. 2011, 223), zuletzt geändert am 22.03.2016 (GVBl. S. 117).

Gesetz zur Umsetzung des Mindestabstands nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen (Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin – MindAbstUmsG Bln) sowie zur Änderung spielrechtlicher Vorschriften vom 22. März 2016 (GVBl. S. 117).

Landesgesetz zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und dem Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (Landesglücksspielgesetz – LGlüG-) vom 22.06.2012 (GVBl. S. 166), zuletzt geändert am 18.08.2015 (GVBl. S. 190).

Weitere Quellen

Bundesverfassungsgericht (o. J.): Übersicht für das Jahr 2017. Erster Senat. Online verfügbar: http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresvorausschau/vs_2017/vorausschau_2017_node.html, zuletzt abgerufen am 10.02.2017.

Bundesverwaltungsgericht (2016): Pressemitteilung Nr. 108/2016. Online verfügbar: http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2016&nr=108, zuletzt abgerufen am 10.02.2017.