Überplanung landwirtschaftlich genutzter Flächen als Wohngebiet?

§ Kommentar


Überplanung landwirtschaftlich genutzter Flächen als Wohngebiet?

Zu OVG NRW, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 2 B 581/14.NE –.

10. April 2015

 

In einer aktuellen Entscheidung[1] hat sich das OVG NRW u.a. mit der Frage befasst, wie weit die Begründungspflicht der Gemeinde bei der Überplanung landwirtschaftlich genutzter Flächen reicht, die mit der BauGB-Novelle 2013 (BGBl. I S. 1548) als § 1a Abs. 2 Satz 4 neu in das Baugesetzbuch eingefügt wurde und damit die Ausrichtung der Bauleitplanung auf die Innenentwicklung und den ebenfalls neuen §1 Abs. 5 Satz 3 BauGB unterstützen soll.

Im vorliegenden Fall reichte es im Kern aus, dass die Gemeinde den steigenden Wohnraumbedarf pro Kopf und vorhandene Wanderungsgewinne sowie fehlende Standortalternativen als von ihr nachvollziehbar analysierte Gründe für die Umwandlung von agrarwirtschaftlich genutzten Flächen in Wohnbauflächen anführen konnte, wodurch die positive Entwicklung der Gesamtstadt unterstützt würde.

Das in der Planbegründung erwähnte Baulückenkataster, das die Gemeinde erarbeite, werde ihr in Zukunft eine noch genauere Bezeichnung des innerörtlichen Flächenpotentials ermöglichen. Dass das vorhandene Baulückenpotential nicht ausreiche, um den Bedarf an Wohnbauflächen zu decken, ließe sich aber auch ohne ein solches Kataster hinreichend präzise abschätzen.

Der Sache nach entspreche die vorgenommene Abwägung nach Auffassung des Gerichts damit ersichtlich den Anforderungen des § 1a Abs. 2 BauGB, auch wenn sie im vorliegenden Fall nicht in der schematischen Stufenfolge angelegt worden sei, die der Antragsteller im vorliegenden Fall der Vorschrift entnommen haben will. Die an die Gemeinde zu stellenden Begründungsanforderungen seien nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 1a Abs. 2 BauGB, der als Abwägungsdirektive angelegt sei, nicht zu überspannen. Gerade § 1a Abs. 2 Satz 4 BauGB („Möglichkeiten der Innenentwicklung“) enthalte prognostische Elemente und eröffne planerische Bewertungsspielräume, die sich einer allseits überzeugenden verobjektivierten Letztbegründung entziehen können. Aus diesem Grund werde auch keine bestimmte Ermittlungstiefe vorgeschrieben. Die „Möglichkeiten der Innenentwicklung“ würden nur durch Regelbeispiele konkretisiert. Es komme darauf an, dass die Gemeinde die an sie als Soll-Vorschriften durch § 1a Abs. 2 BauGB gestellten Begründungsvorgaben inhaltlich erfülle.

Aufwändige Gutachten, die etwa vorhandene und aktivierbare Innenentwicklungspotentiale den Entwicklungszielen einer Gemeinde gegenüberstellen und hieraus dezidiert Schlussfolgerungen für das notwendige Maß der baulichen Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen ziehen, sind danach rechtlich nicht erforderlich.

Allerdings soll sich die Begründung nicht nur auf die Erläuterung beschränken, warum das Planungsziel nicht auch ohne Neuinanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen erreicht werden kann. Vielmehr geht es auch um die Minimierung der Flächenneuinanspruchnahme, z. B. durch platzsparende Bauweisen, kleinere Grundstücke und effizientere Erschließungssysteme.[2]

Grundsätzlich sollte die programmatische Stärkung der Innenentwicklung im Baugesetzbuch jedoch dazu genutzt werden, eine noch stärker bestandsorientiert ausgerichtete Stadtentwicklungspolitik zu betreiben, was vielerorts auch bereits geschieht. Das heißt, die Ausweisung neuen Baulands ist nicht (mehr) erforderlich, wenn noch hinreichend Bauland im Innenbereich zur Verfügung steht (und auch tatsächlich verfügbar ist oder verfügbar gemacht werden kann).


[1] Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 2 B 581/14.NE –, in: BauR 12/2014, S. 2031-2042.

[2] Vgl. hierzu z.B. Muster-Einführungserlass zum Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts (BauGBÄndG 2013 – Mustererlass), verfügbar: www.bauministerkonferenz.de.