Erhebung des Straßenausbaubeitrags bestätigt

§ Kommentar


Erhebung des Straßenausbaubeitrags bestätigt

Zu BVerwG, Urteil vom 21.06.2018 – BVerwG 9 C 2.17 -.

01. August 2018

 

Das BVerwG hat entschieden, dass die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nach dem Hessischen Kommunalabgabengesetz grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.


Straßenbaubeitrag

Geklagt hatte der Miteigentümer eines mit Eigentumswohnungen bebauten Grundstücks. Er war zu einer Vorausleistung des Straßenbaubeitrags in Höhe von 1.700 Euro herangezogen worden. Im Jahr 2013 beschloss die Gemeinde, die 1966 hergestellte Straße von Grund auf zu erneuern und teilweise umzugestalten. Die Arbeiten wurden im Jahr 2016 abgeschlossen. Da die Straße nicht nur dem Anliegerverkehr, sondern überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr dient, übernahm die Stadt die Hälfte der Baukosten. Der angefochtene Bescheid ist auf § 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes gestützt. Nach der hier noch anwendbaren Fassung des Gesetzes erheben die Gemeinden für den Um- und Ausbau öffentlicher Straßen, soweit er über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge von den Grundstückseigentümern. Die soeben in Kraft getretene Neufassung des Gesetzes, gilt für den vorliegenden Fall noch nicht. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger die gegenständliche Klage erhoben. Er begründet dies damit, dass die Sanierung der Straßen aus Steuermitteln finanziert werden müsse. Straßenbaubeiträge ohne gesetzliche Obergrenze brächten unkalkulierbare finanzielle Risiken für Straßenanlieger mit sich. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Erhebung einmaliger Straßenbeiträge durch einen grundstücksbezogenen Sondervorteil gerechtfertigt sei. Eine Obergrenze sei nicht erforderlich und eine erdrosselnde Wirkung würde von der Beitragserhebung nicht ausgehen. Das Verwaltungsgericht hat die Sprungrevision gegen sein Urteil zugelassen. Der Kläger hat die Sprungrevision mit der Zustimmung der beklagten Stadt eingelegt. Mit diesem Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung des unteren Gerichts ist der Rechtsstreit direkt vor das letztinstanzliche Gericht gelangt. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für die betroffenen Grundstückseigentümer regelmäßig unzumutbar sei (insbesondere für junge Familien, alte Menschen mit überschaubarer Rente). Mit der Bodenwertsteigerung der letzten Jahrzehnte sei keine entsprechende Erhöhung der Einkommen verbunden gewesen. Straßenbeiträge würden nicht nur in den Ballungsgebieten, sondern auch in ländlichen Regionen erhoben, wenngleich dort die Bodenwerte, nicht aber die Straßenbaukosten, erheblich geringer sind. Ferner sei es den Eigentümern nicht zuzumuten, ihr Grundeigentum nur zur Beitragszahlung zu veräußern. Ratenzahlungen bewirken keine signifikante Entlastung,
Billigkeitsmaßnahmen seien nur in einzelnen Härtefällen zulässig. Er führt als möglichen Ausweg eine Obergrenze für Straßenbeiträge an. Diese könnte etwa an die Grundsteuer gekoppelt sein. An derartigen Vorkehrungen zur Vermeidung übermäßiger Lasten fehle es im hessischen Straßenbeitragsrecht bislang aber zu Unrecht.

Das BVerwG hat nun entschieden, dass der angefochtene Bescheid auf § 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes gestützt ist. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG HE sollen die Gemeinden für den Umbau und Ausbau der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze Beiträge erheben. Beitragspflichtig sind die Grundstückseigentümer, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht nur vorübergehende Vorteile bietet (§ 11 Abs. 1 Satz 4 KAG HE). Straßenausbaubeiträge werden grundstücksbezogen erhoben. Es können nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer daraus einen Sondervorteil schöpfen kann, dass die Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, besteht und dieser sich von dem Nutzen der Allgemeinheit unterscheidet. Dies kann beispielsweise eine Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks bedeuten, eine Steigerung seines Verkehrswertes ist nicht erforderlich (BVerfG, Besch. v. 25.06.2014 – 1 BvR 668/10 -, BVerfGE 137, 1 – 29). Mit dem Straßenbaubeitrag wird der Sondervorteil des Grundstückseigentümers ausgeglichen, der in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer öffentlichen Verkehrsanlage besteht. Im vorigen Jahr hatte ein Kläger vor dem OVG Lüneburg sich ebenfalls gegen Beiträge gewandt und Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und das Rechtsstaatsprinzip geltend gemacht. Das BVerwG hat nun mit Verweis auf die Entscheidung des OVG Lüneburg (OVG Niedersachsen, Urt. v. 27.03.2017 – 9 LC 180/15 -, ECLI:DE:OVGNI:2017:0327.9LC180.15.0A) ausgeführt, das der die Beitragspflicht begründende Vorteil entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht im jeweiligen Einzelfall konkret quantifiziert werden muss. Es reiche im Rahmen des weiten, dem Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraums aus, dass die Stadt ihren den Allgemeinnutzen abbildenden Eigenanteil in Abgrenzung zum grundstücksbezogenen Sondervorteil je nach der Verkehrsbedeutung der Straße pauschal festlegt (unter Verweis auf § 4 Abs. 1 StrBS i. V. m. § 11 Abs. 4 KAG HE). Den Sondervorteil hat das Gericht im vorliegenden Fall also in der Möglichkeit für den Grundstückseigentümer gesehen, eine weiterhin funktionstüchtige Straße nutzen zu können, die sich positiv auf den Gebrauchswert des Grundstücks auswirke.

Art. 14 Abs. 1 GG wird dann verletzt, wenn der Straßenausbaubeitrag eine erdrosselnde Wirkung entfaltet. Erdrosselnd ist der Straßenbaubeitrag dann, wenn dieser die Betroffenen zur Aufgabe des Grundstückseigentums zwingt und dies nicht nur lediglich einzelne Betroffene derart extrem belastet. Eine regelmäßig erdrosselnde Wirkung bei der Erhebung von Straßenbaubeiträgen auf der Grundlage des § 11 KAG HE hat das Gericht allerdings nicht gesehen. Die auf Vorausleistungen anwendbare Stundungsregelung gemäß § 11 Abs. 12, 13 KAG HE trägt nach Auffassung des Gerichts wesentlich zur Abwendung übermäßiger Belastungen bei. Nach dieser Regelung (in der hier noch anwendbaren Fassung von 2013 wird der Nachweis eines berechtigten Interesses voraussetzt) soll auf Antrag eine Zahlung in bis zu fünf Jahresraten eingeräumt werden. Die inzwischen in Kraft getretene Neufassung des § 11 Abs. 12 KAG HE (Gesetz zur Neuregelung der Erhebung von Straßenbeiträgen vom 28. Mai 2018, GVBl. S. 247) hat die Stundungsregelung nunmehr noch ausgeweitet. So ist es nun ohne den Nachweis eines berechtigten Interesses möglich, den Beitrag in bis zu 20 Jahresraten bei einem der Zinssatz von höchstens 1 % über dem Basiszinssatz zu leisten (nach alter Fassung § 11 Abs. 12 Satz 4 KAG HE bei höchstens 3 % über dem Basiszinssatz). Im Übrigen bestünde in Härtefällen auch nach der AO die Möglichkeit, die Beiträge ganz oder teilweise zu erlassen.

Das Gesetz enthält nach den Ausführungen des Gerichts eine ausgewogene Regelung, die die verfassungsrechtliche Grenze des Übermaßverbotes insgesamt einhält. Es liege im rechtspolitischen Ermessen des Landesgesetzgebers, ob er sich entschließt, die Straßenbaubeiträge ggf. abzuschaffen oder in ihrer Höhe allgemein zu begrenzen.

Es dürfte bekannt sein, dass in vielen Gemeinden aufgrund ihrer Haushaltssituation der Straßenausbaubeitrag nicht nur willkommen, sondern für den Ausbau grundlegend erforderlich ist. Insofern hilft diese Rechtsprechung den Gemeinden als Beitragsteller. Dass dies auch im öffentlichen Interesse liegt, sollte unstreitig sein. Es darf jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass jede Verbesserung einer Straße zu einer Beitragspflicht führt. Es wäre hilfreich, wenn die Rechtsprechung deutlicher hervorhebt, welche konkreten Umstände als Nutzervorteile zu sehen sind.


Entscheidung:

BVerwG, Urt. v. 21.06.2018 – BVerwG 9 C 2.17 -, ECLI:DE:BVerwG:2018:210618U9C2.17.0.

Verfahrensgang:

VG Frankfurt, Urt. v. 18.05.2017 – 6 K 164/16.F -, online verfügbar: http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8027907, zuletzt abgerufen am 01.08.2018.